Nach der brutalen Unterdrückung friedlicher Proteste durch die von Alexander Lukaschenko kontrollierte Polizei haben ca. 900 belarussische Athleten einen offenen Brief unterzeichnet, in dem sie Alexander Lukaschenko aufforderten, die Gewalt zu stoppen und zu garantieren, dass die Vertreter des Sports keinen Repressionen ausgesetzt werden.
Die Leitung der belarussischen Sportstrukturen hat mit Druck auf die Athleten reagiert und von ihnen verlangt, ihre Unterschriften zurückzuziehen. Diejenigen, die sich weigerten, wurden verfolgt, entlasen oder es wurden ihnen Ausbildungsmöglichkeiten verweigert. Das Nationale Olympische Komitee der Republik Belarus, das von Alexander Lukaschenko persönlich geleitet wird, unternahm nichts, um die Athleten vor Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Briefes haben 15 belarussische Athleten Haftstrafen wegen Teilnahme an friedlichen Protesten verbüsst, 4 Athleten bleiben nach wie vor im Gefängnis und mehr als 20 Athleten wird das Recht verweigert, in Belarus zu trainieren. Das Regime hat all die Athleten, die den offenen Brief unterschrieben haben, eindeutig ins Visier genommen.
Wir schätzen sehr die Stellungnahme des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) vom 7. Oktober, in der es seine ernsthafte Besorgnis in Bezug auf die Beschwerden von belarussischen Athleten und über jeglichen politisch motivierten Druck seitens der Leiter der belarussischen Sportfunktionäre zum Ausdruck bringt. Diese Stellungnahme zeigte die Bereitschaft des IOK, die Werte der Olympischen Charta aufrechtzuerhalten, und war eine grosse Inspiration für die belarussischen Athleten. Dennoch wurde diese Stellungnahme vom Regime ignoriert und die Repressionen gegen die belarussische Sportgemeinschaft fortgesetzt. Das Nationale Olympische Komitee von Belarus scheint zuversichtlich zu sein, dass alle von ihm begangenen Verstösse unbemerkt bleiben können.
In diesem Zusammenhang fordert der belarussische Sportsolidaritätsverband und der Verein RAZAM.CH das IOK zu sofortigem Handeln auf.
Insbesondere appellieren wir an das IOK, seine Untersuchung von Diskriminierung und Gewalt gegen belarussische Sportler zu beschleunigen. Im Rahmen dieser Untersuchung bitten wir das IOK, mit dem belarussischen Sportsolidaritätsverband eng zusammenzuarbeiten und ein Treffen zwischen der IOK-Leitung und den belarussischen Sportlern, die verfolgt und reprimiert wurden, unverzüglich zu arrangieren, um alle wichtigen dokumentierten Fälle politisch motivierter Belästigung belarussischer Sportvertreter gemeinsam zu erörtern und zu behandeln.
Angesichts der Tatsache, dass das Nationale Olympische Komitee in Belarus kein politisch unabhängiges Organ ist, sondern vielmehr ständiger Gewalt Vorschub leistet (sowohl durch die Handlungen seines Vorsitzenden Alexander Lukaschenko als auch durch die Ignorierung der weiterhin zahlreichen Fälle von Diskriminierung und Gewalt), was einen klaren Verstoss gegen Artikel 27 der Olympischen Charta darstellt, fordern wir das IOK und sein Exekutivkomitee auf, die im Artikel 59 (1.4) (a) vorgesehenen Massnahmen unverzüglich zu ergreifen und die Aktivitäten des Nationalen Olympischen Komitees in Belarus sowie dessen Finanzierung auszusetzen, solange die Verletzung der Olympischen Charta in Belarus andauert.
Wir rufen das IOK auch dazu auf, jenen belarussischen Athleten zu helfen (auch durch olympische Solidaritätsprogramme), denen aus politischen Gründen die Möglichkeit abgesprochen wurde, inBelarus zu trainieren, oder die zu Unrecht von Sportveranstaltungen suspendiert oder des Landes verwiesen wurden. Das IOK könnte als Kommunikationkanal für die Sportler mit den internationalen Sportverbänden fungieren, um sicherzustellen, dass diese Athleten an grossen Sportveranstaltungen teilnehmen können und dass sie die Möglichkeit haben, an Qualifikationswettkämpfen für die Olympischen Spiele und damit für die Olympischen Spiele – falls erforderlich unter der neutralen Flagge – teilzunehmen.
Darüber hinaus vertreten wir die Meinung, dass in Belarus in der gegenwärtigen Situation keine Sportveranstaltungen im Geiste der Freiheit und des fairen Wettbewerbs durchgeführt werden können. Wir fordern daher, dass alle geplanten internationalen Qualifikationsveranstaltungen und – wettbewerbe von Belarus verlegt und anderswo abgehalten werden, solange Gewalt und Diskriminierung von Sportlern andauern.
Wir danken dem IOK für seine anhaltenden Bemühungen, die Einheit unter den Athleten zu stärken, die politische Neutralität zu fördern und die Autonomie im Sport zu bewahren. Wir hoffen auf Ihre prompte Reaktion und weitere Zusammenarbeit mit dem IOK bei der Verwirklichung der olympischen Werte und der Wiederherstellung des Rechts auf Sport als grundlegendes Menschenrecht in Belarus.
LETTER-TO-IOC-ENG